Studientag Blechbläserdozenten De Meander
Der Name Henk Rensink fällt auch in unserer Region immer häufiger. Während der Wiedereröffnung eines Musikbetriebs in Venlo trat ein Blechbläserensemble auf, empfing der stolze Firmenchef viele Glückwünsche und zwischen allen kamen einige Blasmusiker, die sich in einem Zimmer ein Mundstück anmessen ließen. In deren monatlichem Magazin „St. Caecilia" berichtete man ausführlich über dieses Phänomen.
Als auch einige Azubis der Firma erzählten, dass sie einen Termin mit dem Mundstückmann hatten, beschloss ich, mitzugehen. Meine Neugierde war geweckt. Ich beobachtete überrascht die verschiedenen Aktionen, die zur Wahl eines richtigen Mundstücks führten. Zugegeben: Die Azubis waren es zufrieden.
Wir, die Blechbläserdozenten von der Stiftung Kunstunterricht de Meander aus Boxmeer, wollten einen Studientag organisieren und die Auswahl war dieses Jahr nicht schwer. Jeder kannte die Berichte über Henk Rensink und wir hatten zu diesem Thema unsere eigenen Ideen und manchmal auch Bedenken. Unter dem Motto „Erst sehen und dann glauben" („erst hören..." wäre passender gewesen) fuhren wir an einem Donnerstag in aller Frühe nach Apeldoorn.
Gegen halb zehn saßen wir im hübsch eingerichteten Studio bei Kaffee und Gebäck,serviert von Frau Rensink, die ihren Mann stets im Hintergrund unterstützte. Etwa eine halbe Stunde lang schauten wir uns die in Vitrinen ausgestellten Dinge an: Naturhörner an (ja, auch von einer Kuh), ausgestorbene Blasinstrumente und Mundstücke, so weit man schauen konnte.
Um punkt zehn Uhr ergriff Rensink das Wort, hieß uns herzlich willkommen und begann mit seinen Erläuterungen über die Geschichte und die verschiedenen Formen von Mundstücken. Allerlei Kuriositäten wanderten durch unsere Hände und wir waren erstaunt, auf welch oft bizarren Exemplaren Musiker früher geblasen haben. Es gab Mundstücke von 1670 aber auch von heute in einem sehr zeitgenössischen Design. Ein grobes Mundstück, dass sich ein Dorfschmied für sich selbst geschmiedet hat. Exemplare aus Holz, Kunststoff und Nickel, in allen Größen. Eines mit einer sternförmigen Bohrung. Kurzum: Eine echtes Raritätenkabinett. Henk Rensink erklärt alles ruhig und deutlich. Die Überzeugung, mit der er über dieses Thema spricht, gründet sich auf jahrelangen Forschungen. Hier spricht jemand, der sich auskennt.
Zeit für eine Tasse Kaffee, aber nicht zu lange. Wir hatten das Gebäck noch nicht aufgegessen und da ging es schon weiter. Henk hatte den Tag wie ein Lehrer begonnen und es sprach auch ein wenig der Biologe und Mathematiker aus ihm. Nach der Pause entpuppte er sich als Arzt, fast wie ein Hausarzt, aber doch etwas anders. Nacheinander ließen wir uns von ihm beraten: Hans Mooren und Hans Thijssen (Posaune), Chris Cuppen (Tuba), Gerard Bijers (Trompete) sowie Jan Linssen und der Verfasser dieser Zeilen (Horn). Nachdem jeder von uns eine Art Lebenslauf ausgefüllt hatte, wurde uns von Henk (im übertragenen und wörtlichen Sinn) auf den Zahn gefühlt. Das Lungenvolumen wurde gemessen, die Dicke und Widerstandsfähigkeit der Lippen getestet. Auch Kiefer und Mundhöhle wurden untersucht, aufmerksam achtete er auf Kronen oder Prothesen. Es war wahnsinnig interessant und manchmal schauten auch die Kollegen mit zu. Nachdem Henk alle Daten in ein Formular eingetragen hatte, musste jeder ein paar Töne auf seinem alten Mundstück blasen (z.B. einen Oktavsprung). Danach wählte Henk aus
Dutzenden von Mundstücken (es können auch hunderte gewesen sein) ein oder zwei neue Modelle aus. „Probieren Sie dieses einmal." Man blies dieselben Töne und wahrhaftig: Sie klangen schöner, sprachen besser an und auch die Höhe wurde offener. Jeder von uns wurde auf diese Art behandelt und erhielt ein „Rezept" mit Marke und Nummer des neuen Mundstücks, mit dem man dann in die „Apotheke" bzw. ins Musikgeschäft gehen sollte.
Inzwischen war es viertel vor zwei und da noch gearbeitet werden musste, war es langsam an der Zeit, zum Ende zu kommen.Am Anfang dieses Studientages dachte ich noch, dass ich danach in der Lage sein sollte, meinen Schülern genaue Hinweise zu ihrem Mundstück geben zu können. Je mehr Zeit des Tages verstrich, desto besser verstand ich, dass das Anmessen von Mundstücken eine ganz spezielle Wissenschaft ist. Natürlich gibt es Grundregeln, aber will man die gut befolgen, brauch man doch auch den Rat eines Experten. Wie wird man ein solcher? Henk Rensink antwortete: „ Jahrzehntelange Forschung, verschiedene Veröffentlichungen, Vorträge und sehr viel Erfahrung." Es war uns klar, dass man dies nicht an einem Vormittag lernt und dass man dieses Thema einem Fachmann überlassen sollte.
Auf dem Heimweg im Auto stellten wir uns die Fragen: „Hilft uns das wirklich? Erreichen wir mit den neuen Mundstücken wirklich die Höhe (oder Tiefe), von der wir stets geträumt haben?" Abgesehen von der Tatsache, dass meine Kollegen und ich einen gleichsam lehrreichen wie geselligen Studientag hinter uns hatten, konnten wir uns hier nur verbessern. Wurde früher einfach so ein Mundstück aus dem Kasten geholt und bliesen manchmal ganze Hornklassen auf demselben Mundstück wie der Lehrer (manche Musiker sind noch stets davon überzeugt, dass das Mundstück, das mit dem Instrument geliefert wird, auch tatsächlich dazu gehört), so wird ein Mundstück heute eben angemessen. Keine Willkür, aber eine wohldurchdachte Wahl. Dies kann man nur als Fortschritt bezeichnen.
Während des Schreibens dieser Zeilen warte ich noch auf die Lieferung meines neuen Mundstücks und kann noch nicht aus Erfahrung sprechen. Sollten diese letztendlich positiv sein, wird eine Fortsetzung dieses Berichts folgen. Der Titel steht schon fest: „Mein Leben als Solohornist im Concertgebouw-Orkest".
Stephan Moors